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Der Gesundheitsbereich ist im Wandel und gute Fachkräfte werden immer mehr gesucht – das zeigt Corona noch einmal deutlich. Gerade in den Heilmittelbereichen, also in der Physiotherapie, Ergotherapie, Podologie und Logopädie werden Nachwuchskräfte knapp. Wir von Praxis-Profi wollen uns in diesem Artikel einen Bereich genauer ansehen: die Physiotherapie. Wie ist die Ausbildung aufgebaut? Ist eine schulische oder betriebliche Ausbildung sinnvoll? Welche Vorteile bietet ein Studium in dieser Branche? Wir klären dich auf.
Laut einer Statistik von Physio Deutschland, gibt es derzeit 255 Physiotherapieschulen in Deutschland (Stand: 21.01.2021). Eine Übersicht aller Schulen gibt es hier. Grundsätzlich wird zwischen staatlichen/öffentlichen Schulen, die kostenfrei sind, und privaten Schulen, die Lehrgeld erheben, unterschieden.
Die dreijährige Ausbildung zur Physiotherapeutin, zum Physiotherapeuten kann an staatlichen oder privaten Schulen der Physiotherapie durchlaufen werden und schließt mit einer staatlichen Prüfung ab. Dieser Weg ist in Deutschland derzeit die Regelausbildung zum Physiotherapeuten.
Bisher galt fast immer: Eine Ausbildung zur Physiotherapeutin bzw. zum Physiotherapeuten kostet Geld. Um den Beruf attraktiver zu machen, hat die Große Koalition aus CDU/CSU und SPD das Thema “Schulgeldfreiheit” in ihrem Koalitionsvertrag verankert. Eine bundeseinheitliche Regelung dazu gibt es nämlich noch nicht. Viele Bundesländer haben allerdings vorzeitig eigene Regelungen eingeführt und das Schulgeld eigenmächtig in ihren Schulen abgeschafft. Seit Herbst 2018 gibt es dafür die ersten Umsetzungsbeschlüsse. Ein Gutachten des Bundesministerium für Gesundheit (BMG) zeigt, dass im Schuljahr 2018/19 mehr als 60% Prozent der Ausbildungsgänge schulkostenpflichtig waren. Im Durchschnitt lag das Schulgeld bei monatlich etwa 250 Euro. Bei drei Jahren Ausbildung summiert sich das auf ca. 10.000€. 14 von 16 Bundesländer haben heute (Stand: Januar 2021) das Schulgeld entweder komplett gestrichen oder Förderprogramme eingesetzt, die das Schulgeld bezuschussen. Der deutsche Verband für Physiotherapie hat eine aktuelle Übersicht, welche Regelungen in welchen Bundesländern gelten.
Die Ausbildung an einer schulischen Einrichtung wird in der Regel nicht vergütet. An Einrichtungen des öffentlichen Dienstes (oder vergleichbaren Institutionen) gibt es eine Ausbildungsvergütung zwischen ca. 1.000 und 2.000€ je nach Ausbildungsjahr. 2019 wurden Universitätskliniken an den Tarifvertrag der Länder angeschlossen und an kommunalen Krankenhäusern eine Vergütung eingeführt. Diese Plätze haben häufig komplexe Auswahlverfahren und sind limitiert, denn 2019 erhielten nur 7,5% der Auszubildenden in der Physiotherapie eine Vergütung.
Im Zuge der Akademisierung diverser Berufe im Gesundheitsbereich, gibt es seit einigen Jahren die Möglichkeit im Bereich Physiotherapie ein Studium abzulegen. In vielen anderen Ländern ist das bereits seit vielen Jahren Status-Quo; Deutschland ist einer der wenigen EU-Staaten, die eine Physiotherapie Ausbildung nicht flächendeckend auf akademischer Ebene anbieten. Inhaltlich legen Bachelor-Studiengänge der Physiotherapie in Deutschland einen ähnlichen Schwerpunkt, wie die schulische Ausbildung. Hier geht es vor allem um die vier Teilbereiche Prävention, kurative Versorgung, Rehabilitation und palliative Versorgung. Darüber hinaus gibt es Schwerpunkte in den Bereichen Gesundheitsversorgung, Gesundheits- und Therapiewissenschaften, Health Care Studies oder der Neurorehabilitation. Bei der Auswahl von Studiengängen gibt es hier etwas mehr Flexibilität, als bei der Auswahl von schulischen Ausbildungsangeboten bzw. Berufsfachschulen. Einzelne Fachbereiche können mit Masterstudiengängen weiter vertieft werden. Wer sich darüber hinaus für die Lehre qualifizieren möchte, der findet eine Auswahl an Studiengängen im Bereich Berufspädagogik.
2001:
Die ersten Fachhochschulen bieten den Erwerb eines akademischen Grades im Bereich der Physiotherapie an. Diese Abschlüsse können allerdings nur ausbildungs- bzw. berufsbegleitend abgelegt werden und setzen daher entweder eine schulische Ausbildung oder aber einige Jahre Berufserfahrung voraus.
2005:
Vier Jahre später werden die ersten Masterstudiengänge etabliert, da die ersten Jahrgänge der Bachelorstudiengänge ihr Studium absolviert haben.
2010:
Neben der schulischen Ausbildung besteht nun die Möglichkeit auch ohne vorhausgehende oder begleitende Fachschulausbildung ein Studium im Bereich der Physiotherapie vorzunehmen. Diese primärqualifizierenden Studiengänge sind nun eine ergänzende Möglichkeit eine Berufszulassung als Physiotherapeut zu erlangen. In der Regel erfolgt ein Studium mit dem Abschluss “Bachelor of Science”.
Aus dieser Entwicklung ergibt sich die Unterteilung der Studienangebote in der Physiotherapie in die folgenden drei Bereiche:
Nach der Verabschiedung im Bundestag und Bundesrat, wurde 2010 eine Modellklausel in die Berufsgesetze von Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Logopäden und Hebammen eingeführt. Ziel ist es, die Akzeptanz, Relevanz und Qualität von primärqualifizierenden Studiengängen zu testen und zu evaluieren. Die Erstellung von Studiengangsplänen, sowie die Konzeption und Durchführung der Studiengänge liegen bei den jeweiligen Hochschulen. Auch die Voraussetzungen zum Beginn eines grundständigen Studiums der Physiotherapie unterscheiden sich von Hochschule zu Hochschule. In der Regel reicht bei Fachhochschulen ein Fachabitur. An 15 Hochschulen (7x privat, 8x staatlich) in derzeit 10 Bundesländern kann Physiotherapie primärqualifizierend studiert werden.
Die Modellphase mit der Möglichkeit Physiotherapie primärqualifizierend zu studieren wurde vom Bundestag bis zum 31.12.2021 im Rahmen des Dritten Pflegestärkungsgesetzes (PSG III) verlängert.
TECHNISCHE HOCHSCHULE ROSENHEIM
Bachelor of Science Physiotherapie, Technische Hochschule Rosenheim, 7 Semester (nach 6 Semestern staatliche Prüfung, nach 7 Semestern der akademische Abschluss)
BERUFSAKADEMIE FÜR GESUNDHEITS- UND SOZIALWESEN SAARLAND
Bachelor of Science Physiotherapie, Berufsakademie für Gesundheits- und Sozialwesen Saarland, 7 Semester (nach 6 Semestern staatliche Prüfung, nach 7 Semestern der akademische Abschluss)
Zur besseren Vernetzung von Theorie und Praxis, gibt es die Möglichkeit Ausbildung und Studium im Bereich der Physiotherapie zu kombinieren. Ein solches Hochschulstudium beinhaltet hier eine dreijährige schulische Ausbildung, wobei alle Studierenden nicht nur Teil der Hochschule sind, sondern auch Mitglied einer kooperierenden Fachschule. Im ersten Teil des Studiums finden Kurse an der Hochschule und die schulische Ausbildung parallel statt. Wenn der schulische Teil erfolgreich bestanden ist und die staatliche Prüfung zum Physiotherapeuten abgelegt wurde, folgen weitere Fachsemester an der Hochschule. Hier können vor allem besondere Fachbereiche oder die akademische Forschung vertieft werden. Der Studienteil schließt mit dem Verfassen einer Bachelorarbeit ab. Die meisten Hochschulen unterscheiden hier zwischen zwei Varianten: Unter dem Begriff “ausbildungsintegriert” findet man Modelle, die Ausbildung und Studium stark miteinander vernetzen. Laufen beide Teile eher getrennt voneinander und nur zeitlich parallel ab, nennt man das Modell “dual”. Die Abschlüsse sind jedoch in beiden Fällen gleich, daher kann die Auswahl hier nach persönlichen Präferenzen stattfinden.
AUSBILDUNGSINTEGRIEREND
Bachelor of Science Interprofessionelle Gesundheitsversorgung, Universitätsklinikum Heidelberg, 8 Semester
DUAL/AUSBILDUNGSINTEGRIEREND
Bachelor of Science Physiotherapie, Hochschule Osnabrück, 6 Semester (Zuerst 3 Semester an einer kooperierenden Berufsfachschule, dann 3 Semester an der Hochschule Osnabrück
INTERNATIONALE MÖGLICHKEITEN
Die Hochschule Osnabrück bietet die Möglichkeit eines internationalen Schwerpunkts im Bereich “International Physiotherapy” im Rahmen ihres Bachelorstudiums an. Hierbei werden Auslandssemester und -einsätze an kooperierenden Hochschulen und Instituten in Australien, der Schweiz oder Irland absolviert und anerkannt.
Wer bereits eine schulische Ausbildung absolviert hat, staatlich geprüft ist und Berufserfahrung mitbringt, der kann sich berufsbegleitend mit einem Studium weiterbilden. Dieses Studienmodell bietet sich vor allem für all diejenigen an, die gerne noch einmal fachliche Inhalte vertiefen möchten oder die Lust auf akademisches Arbeiten haben, die jedoch vor der Etablierung von Studiengängen ihre Ausbildungen abgeschlossen haben. Da hier bereits ein Ausbildungsabschluss und Wissen aus dem Berufsalltag vorliegen, kann das Studium in aller Regel um mindestens drei Semester verkürzt werden. Individuelle Einstufungsprüfungen und Gespräche der einzelnen Hochschule ermitteln für jeden Interessenten, wo genau eine Anrechnung stattfinden kann und Sinn macht. Ein solches Studium kann dann parallel zum Beruf stattfinden, oder beispielsweise während eines Sabbaticals (d.h. einer zeitlich begrenzten beruflichen Auszeit).
BACHELOR OF SCIENCE MOTORISCHE NEUROREHABILITATION
Universität Konstanz, 6 Semester
BACHELOR OF SCIENCE ANGEWANDTE THERAPIEWISSENSCHAFTEN
Hochschule Bremen, 6 Semester (3 Semester an der Hochschule Bremen, 3 Semester werden aus der abgeschlossenen Fachschulausbildung anerkannt)
MASTER OF SCIENCE INTERDISZIPLINÄRE GESUNDHEITSFÖRDERUNG
Hochschule Furtwangen zusammen mit der Universität Freiburg, 4 Semester (Bachelorstudium und ein Jahr Berufserfahrung vorausgesetzt; Schwerpunkt “Orthopädische Manuelle Therapie” möglich)
MASTER OF SCIENCE VERSORGUNGSFORSCHUNG UND IMPLEMENTIERUNGSWISSENSCHAFT IM GESUNDHEITSWESEN
Universitätsklinikum Heidelberg, 4 Semester (forschungsorientiertes akademisches Qualifizierungsprogramm an der Schnittstelle von Medizin, Gesundheitswissenschaften und Gesundheitsversorgung)
Nach dem erfolgreichen Absolvieren eines Bachelor- und Masterstudiengangs im Bereich Physiotherapie kann in einigen Fällen (bei ausreichender Qualifizierung) eine Promotion angeschlossen werden. Der Anteil der Physiotherapeuten die zu einer staatlichen Prüfung auch noch einen akademischen Abschluss haben oder ausschließlich mit akademischem Abschluss arbeiten ist mit einem einstelligen Prozentbereich am Anteil der gesamten Berufsgruppe noch sehr gering. Die Tendenz ist jedoch steigend und das Angebot wird zunehmend ausgebaut.
Bei einem Studium fallen in der Regel Semestergebühren in Höhe von 200 bis 500€ an, die halbjährlich gezahlt werden. Zur Finanzierung können Vollzeitstudierende auf BAföG, Studierendendarlehen oder Stipendien zurückgreifen.
Für Praxisinhaber gibt es verschiedene Möglichkeiten, ihre Studenten oder Auszubildenden zu unterstützen. Die größte Entlastung ist hier sicherlich eine (Teil-)übernahme der Studien- und/oder Schulkosten oder das Angebot eines Arbeitgeberdarlehens für einen Teil der Kosten. Darüber hinaus können Sachmittel, wie Therapiegegenstände, Fach-/Arbeitsbücher oder technische Hardware wie Laptops oder Tablets bezuschusst oder übernommen werden. Gerade bei einer weiteren Anreise zur Berufsfachschule oder Hochschule kann die Unterstützung bei Fahrtkosten einen großen Mehrwert bieten. Wie auch schon bei den Benefits sollte hier ein offener Dialog gesucht werden, um zu schauen, an welchen Stellen am besten unterstützt werden kann. So können zukünftige Fachkräfte schon frühzeitig wertgeschätzt und gebunden werden.