Fortbildungen für
Physiotherapeuten –
Ein Praxisratgeber in drei Schritten

Inhalt

1. Warum eine Fortbildung machen?

2. Welche Fortbildungen gibt es?

3. Welche Anbieter gibt es?

Fortbildungen für Physiotherapeuten: Pflicht oder nicht?

Eine Fortbildungsverpflichtung für Physiotherapeut:innen, die sich an einer ähnlichen Regelung für Ärzt:innen orientiert, geht zurück auf das Gesundheitsmodernisierungsgesetz von 2004. Sie existiert seit 2008 bundesweit im Rahmen der Zulassung als Leistungserbringer für die Ersatzkassen und gilt für alle niedergelassenen Heilmittelerbringer mit eigener Kassenzulassung. Wie diese Fortbildungsverpflichtung inhaltlich ausgestaltet ist, hat der Gesetzgeber den Spitzenverbänden der Krankenkassen und der Bundesarbeitsgemeinschaft der Heilmittelerbringer (BHV) überlassen. Wird der Fortbildungspflicht nicht nachgekommen, droht eine Kürzung der Vergütung durch die Krankenkasse. 

Grundsätzlich unterschieden wird zwischen einer allgemeinen Fortbildungspflicht, die für alle Heilmittelerbringer gilt und einer gesetzlichen Fortbildungspflicht, die nur für Praxisinhaber:innen oder therapeutische/fachliche Leiter:innen gilt. Nur innerhalb der gesetzlichen Fortbildungsverpflichtung müssen Fortbildungspunkte nachgewiesen werden. 

Aus §124 Abs. 3 SGB V ergibt sich damit Folgendes: 

Die gesetzliche Fortbildungspflicht für Praxisinhaber:innen und fachliche Leiter:innen: Es müssen 60 Fortbildungspunkte in vier Jahren erworben werden. Ein Fortbildungspunkt entspricht einer Einheit von 45 Minuten. Pro Jahr entspricht das durchschnittlich 11,25h Fortbildung bei insgesamt 45h Fortbildung in vier Jahren. Diese Stunden müssen nicht gleichwertig auf vier Jahre verteilt werden, es wird jedoch empfohlen ca. 15 Fortbildungspunkte pro Jahr zu sammeln. Eine Übertragung von Fortbildungspunkten in den nächsten 4-Jahres-Zyklus ist nicht möglich. Die Fortbildungsverpflichtung ruht bei Mutterschutz, Elternzeit und Arbeitsunfähigkeit. Wer als Heilmittelerbringer mit Ersatzkassen, der AOK und IKK/BKK/Knappschaft abrechnen will, muss daher regelmäßig Fortbildungspunkte sammeln. Ein Nachweis geschieht derzeit nur auf Nachfrage. 

Die allgemeine Fortbildungspflicht Praxismitarbeiter:innen: 
Für Praxismitarbeiter:innen gibt es nur sehr vage Regelungen die besagen, dass externe berufliche Fortbildungen mindestens alle zwei Jahre stattfinden sollen. Eine genauere Definition der allgemeinen Fortbildungspflicht liegt nicht vor, was bedeutet, dass Fortbildungspunkte, Fortbildungsdauer und die Art der Fortbildung hier keine wesentliche Rolle spielen.

Die Kosten für Fortbildungen werden grundsätzlich nicht übernommen, nur weil es für Praxisinhaber:innen und fachliche Leiter:innen eine Fortbildungspflicht gibt. Jedoch können Förderungen in Anspruch genommen werden, wie beispielsweise die Bildungsprämie oder der Bildungsscheck. Eine Übersicht der verschiedenen Regelungen zum Bildungsurlaub gibt es hier. Eine besondere Möglichkeit ist das Weiterbildungsstipendium, das junge Menschen nach einem besonders erfolgreichen Abschluss einer Berufsausbildung bei der weiteren beruflichen Qualifizierung mit bis zu 8.100€ für fachliche Fortbildungen unterstützt. Das Weiterbildungsstipendium ist ein Förderprogramm des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) und gilt für Personen bis 25 Jahre.  

1. Warum eine Fortbildung machen?

Weiterbildungen sind in jedem Bereich eine wichtige Voraussetzung für die berufliche Weiterentwicklung und deshalb maßgeblich für den beruflichen Erfolg. In der Physiotherapie ist das besonders wichtig, da hier kontinuierlich neue Erkenntnisse aus der Medizin und Forschung kommen und immer wieder neue Behandlungsmethoden erprobt werden. Fortbildungen sind hier eine gute Schnittstelle zwischen Theorie und Praxis und ermöglichen es Therapeut:innen, die neuesten Erkenntnisse aus der Wissenschaft direkt in ihren Praxisalltag zu integrieren. Darüber hinaus ist eine Ausbildung in der Physiotherapie sehr breit angelegt und viele Therapeut:innen entwickeln häufig erst im Beruf bestimmte Präferenzen für Themen oder Methoden. Fortbildungen sind hier eine ideale Möglichkeit, sich in einem Bereich zu spezialisieren und die eigenen Interessensgebiete zu vertiefen. Einige nutzen das Weiterbildungsangebot auch, um sich mit einer eigenen Praxis selbstständig zu machen und neben fachlichen Themen auch betriebswirtschaftliche Inhalte zu erlernen. In jedem Fall sind gut ausgebildete Therapeut:innen, die sich kontinuierlich weiterbilden, nicht nur für jede Praxis ein großer Gewinn, sondern natürlich auch für die Patient:innen, die von neuem Wissen profitieren. 

 

Übrigens:  Wir haben mit Claudia Fröhlich von THERAPIEexperte im Interview intensiv über die Vorteile von Weiterbildungen für Physiotherapeuten gesprochen. 

 

Hier geht`s zum Interview

2. Welche Fortbildungen gibt es?

Der Markt der Fortbildungen ist kaum zu überblicken. Allein die Physio-Akademie (das wissenschaftliche Institut des Deutschen Verbands für Physiotherapie) bietet pro Jahr mehr als 600 Fortbildungen von A bis Z an. Grundsätzlich können die folgenden fünf Schwerpunkte unterschieden werden. 

Schwerpunkt 1: Fachliche (praktische) Tiefe

Therapeut:innen können sich fachlich vertiefen, indem sie sich an der grundsätzlichen Unterteilung der Behandlungsbereiche orientieren und hier Schwerpunkte bilden:

  • Prävention: Vorbeugung gesundheitlicher Probleme (wird v. a. im Kontext einer alternden Bevölkerung und steigender sozialer Ungleichheit immer relevanter) 
  • Kurative Medizin: Therapie nach operativen Eingriffen, bei Erkrankungen des Bewegungssystems oder zur Linderung chronischer Schmerzen 
  • Rehabilitation: Eingliederung in den (Arbeits-)Alltag und Hilfe zur Selbsthilfe und Selbstständigkeit 
  • Palliation: Lindern schwerer gesundheitlicher Störungen und Begleitung zum Ende des Lebens 

Wichtig: Fortbildungen zu Methoden, die laut Heilmittel-Richtlinie von der Verordnung ausgeschlossen sind, können selbstverständlich besucht werden, allerdings nicht mit Fortbildungspunkten angerechnet werden. 

Schwerpunkt 2: Fachliche (theoretische) Tiefe 
Neben der schulischen Ausbildung gibt es seit 2001 bzw. 2005 Bachelor- und Masterstudiengänge für Physiotherapie. Ein breites berufsbegleitendes Studienangebot gibt Physiotherapeut:innen mit Berufserfahrungen die Möglichkeit, ein Studium anzuschließen und so auch noch einmal tiefer in wissenschaftliche Methoden und die Forschung zu schauen. Eine Übersicht möglicher Studiengänge inkl. Zulassungsvoraussetzungen, Akkreditierung und möglicher Vertiefungen hat der Berufsverband zusammengestellt. Dieser Weg kann vor allem dann Sinn machen, wenn man eine Unterrichtstätigkeit anstrebt oder eher forschungsnah arbeiten möchte. Darüber hinaus können sich Physiotherapeut:innen mit Angeboten weiter qualifizieren, die auf einer abgeschlossenen Ausbildung basieren, wie eine Ausbildung zum Fitnessfachwirt, die auf Führungspositionen in Rehaeinrichtungen vorbereiten kann. 

Schwerpunkt 3: Fachliche Breite 
Neben der Vertiefung eines Themenbereichs kann man durch Fortbildungen auch sein Profil ausweiten und beispielsweise Fortbildungen im Bereich der Arbeitspsychologie oder der betrieblichen Gesundheitsförderung bzw. des betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) absolvieren. 

Schwerpunkt 4: Business Skills  
Neben inhaltlichen Themen, können Physiotherapeut:innen sich in einer Vielzahl wirtschaftlicher Themen weiterentwickeln, wie die folgenden Beispiele zeigen: 

  • Weiterbildung im Bereich e-Health/Teletherapie 
  • Gesetzeskunde & Aktuelle Gesetze 
  • Marketing für selbstständige Physiotherapeuten 
  • Praxismanagement & Praxisgründung (Recht, Finanzen, Buchhaltung) 
  • Mitarbeiterführung (Kommunikation, Mediation, Psychologie) 
  • Recruiting für Physiotherapeuten (Mitarbeitergewinnung, Mitarbeiterbindung) 
  • Qualitätsmanagement 

Wichtig: Fortbildungen, die sich nicht direkt auf Inhalte der Behandlungen beziehen, zählen häufig nicht zu Fortbildungspunkten im Rahmen der Fortbildungsverpflichtung. 

Schwerpunkt 5: Spezialisierung nach Altersklassen 
Zuletzt gibt es die Möglichkeit sich auf eine bestimmte Altersgruppe zu spezialisieren, und so Fortbildungen zu besuchen, die sich besonders mit dem physiotherapeutischen Angebot für Säuglinge und Kleinkinder, Schulkinder, oder auch die Generation 60+ beschäftigen. 

3. Welche Anbieter gibt es?

Fort- und Weiterbildungen werden von hunderten Anbietern beworben. Besonders beliebt sind die Fortbildungen für Physiothrapeuten, die über ihre jeweiligen Berufsverbände angeboten werden, da hier i.d.R. sichergestellt ist, dass Fortbildungspunkte erworben werden können, das Angebot fachlich geprüft wird und es für Mitglieder häufig extra Plätze und Sonderkonditionen gibt. 

Die folgenden Bewertungskriterien können helfen, einen passenden Anbieter zu finden: 

1. Zertifizierung, Bekanntheitsgrad und Ansehen des Anbieters 

2. Bekanntheitsgrad und Ansehen der Lehrenden 

3. Anerkennung der Abschlüsse bzw. Möglichkeit Fortbildungspunkte zu sammeln 

4. Lehrgangsformen 

5. Standorte 

6. Service und Betreuung 

7. Kosten

Bei vielen Anbietern gibt es im Netz Erfahrungsberichte die helfen können, den Mehrwert einer Fortbildung im Vorhinein zu beurteilen. Auch eine kurze Umfrage in der eigenen Praxis oder unter befreundeten Kolleg:innen kann helfen, die richtigen Anbieter zu finden. 

Die folgenden Anbieter gehören zu den größten in Deutschland: 

- Physio-Akademie gGmbH - das wissenschaftliche Institut des Deutschen Verbands für Physiotherapie 
- Verband Physikalische Therapie (VPT) (Angebote v. a. über Landesgruppen, z. B. VPT Nord-Ost
- ZiFF - Zentrum für integrative Förderung und Fortbildung  
- TOP-PHYSIO 

Auswirkungen von Covid-19

Corona hat auch im Fortbildungsbereich einige Änderungen mit sich gebracht. Grundsätzlich gilt: Bei den meisten Fortbildungen für Physiotherapeut:innen ist das Arbeiten mit dem menschlichen Körper ein zentraler Bestandteil. Daher wurden zu Beginn der Pandemie viele Kurse gestrichen oder weit in die Zukunft verschoben, da auf Präsenzunterricht nicht verzichtet werden wollte. Mittlerweile gibt es wieder mehrere Fortbildungen für Physiotherapeut:innen, die unter Einhaltung umfassender Hygienekonzepte und mit reduzierten Teilnehmerzahlen stattfinden. 

Darüber hinaus wird versucht, einen Wechsel von Präsenzveranstaltungen auf Online-Veranstaltungen zu schaffen, wo es sich thematisch anbietet. Eine kontinuierliche Weiterentwicklung und der Ausbau von E-Learning Angeboten zeigt, dass auch Fortbildungen für Physiotherapeut:innen heute digital stattfinden können. Theoretische Hintergründe, Behandlungstechniken oder Handgriffe können zum Beispiel mit Hilfe von Videos, animierten Grafiken und Bildern per App oder am Rechner anschaulich dargestellt werden. Live-Webinare mit der Möglichkeit, direkt Fragen zu stellen, runden das Portfolio ab. 

Ein Beispiel ist physiofortbildung, das E-Learning-Portal für die Physiotherapie von Thieme. 

Unser Fazit

1. Fortbildungen lohnen sich immer für Therapeut:innen und Patient:innen. 

2. Eigene Schwerpunkte können sowohl in der Tiefe, als auch in der Breite gelegt werden. 

3. Erfahrungswerte und klare Bewertungskriterien helfen, qualitativ hochwertige und geeignete Anbieter zu finden. 

4. Physiotherapie lebt von menschlicher Interaktion - besonders während einer Fortbildung. 

5. E-Learning-Angebote können bestehende Fortbildungen sinnvoll bei der Vermittlung von Theorie oder der Vorführung bestimmter Techniken und Handgriffe ergänzen. 

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