Die Digitalisierung im deutschen Gesundheitswesen ist noch nicht so weit fortgeschritten wie es eigentlich sein könnte. Bisher hat nicht einmal ein Prozent der deutschen Bevölkerung die elektronische Patientenakte heruntergeladen, die bei den gesetzlichen Krankenkassen freiwillig zur Nutzung angeboten wird. Bei der Nutzung digitaler Angebote ist also noch eine deutliche Zurückhaltung bei Patientinnen und Patienten spür- und sichtbar.
Andreas woran liegt das? Hat das auch mit den entsprechenden Rahmenbedingungen in den Praxen zu tun? Wie fällt die Resonanz der Kund:innen aus, wenn es um den digitalen Datenaustausch geht?
Andreas Fischer: Ja genau das stimmt. Es sind erst 0,63% der Gesamtbevölkerung, die daran teilnehmen und das zeigt, dass die Menschen in Deutschland in der Breite noch keine Vorstellung davon haben, wie wertvoll die ePA für sie sein kann und welche Vorteile das bietet. Die ePA steht als individueller Ablageort für alle persönlichen Gesundheitsdaten im Zentrum der digitalen Transformation des Gesundheitssystems. Die bisherige Zurückhaltung der Nutzerinnen und Nutzer hat vermutlich verschiedene Ursachen. Einerseits sind in der Zwischenzeit nahezu alle niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte an die Telematikinfrastruktur angebunden, andererseits haben sie bislang in den meisten Fällen nur Zugriff auf das Versichertenstammdatenmanagement (VSDM). Ihre Praxisverwaltungssoftwaresysteme (PVS) besitzen häufig noch keine Schnittstellen zur ePA der Versicherten, sodass Stand heute in den meisten Praxen auch keine Daten in die ePA der Versicherten überführt werden können. Die mangelhafte Interoperabilität der Teilsysteme verhindert hier also ganz klar die Entstehung einer praktischen Erlebniswelt für die User. Aus diesem Grund legen wir – als opta data - sehr stark den Fokus auf die Usability unserer Lösungen für die gesundheitsfachberufliche Praxis. Denn die Lösungen sollen den Nutzern (LE) das Leben erleichtern. Dann wird der Funken auch auf die Patient:innen überspringen.
Dafür ist aber ganz wichtig, dass alle Akteure (also auch die Gesundheitsfachberufe) an das System angebunden werden. Ansonsten stoßen die Nutzer:innen immer wieder an analoge Bruchstellen und mit dem Nutzererlebnis wird es dann nichts…
Die Voraussetzung für eine funktionierende digitale Vernetzung im Gesundheitssystem ist die Begeisterung der Menschen für die Technologie – und natürlich auch das Vertrauen in diese. Versicherte müssen an die bereitgestellte digitale Infrastruktur sowie die datenschutzrelevanten Vorkehrungen und die sinnvolle und verantwortungsvolle Nutzung ihrer Gesundheitsdaten durch Forschung und gegebenenfalls Entwicklung glauben.
Wir haben schon über die Herausforderungen gesprochen. Was sind die großen Chancen der Vernetzung und des Datenaustauschs im Gesundheitswesen? Wer profitiert davon und wie?
Andreas Fischer: Es gibt viele Vorteile. Natürlich profitiert vor allem der Patient/die Patientin aber nicht nur. Es profitieren eigentlich alle Akteure im Gesundheitswesen, weil alle, an der Versorgung beteiligten Akteure auf zur richtigen Zeit auf die jeweils richtigen Daten zugreifen kann. Bisher waren Patienten- und Gesundheitsdaten nicht zentral gespeichert, sondern lagen verstreut bei Ärzt:innen, Krankenhäusern oder Versicherungen, unstrukturiert und in Form unterschiedlicher Medien vor. Mit der Einführung der Elektronischen Patientenakte soll die Verwaltung der Patientendaten digitalisiert und vereinfacht werden.
So können beispielsweise mithilfe der elektronischen Patientenakte (Krankenakte heißen die Dossiers nur im KH!) verschiedene Fachärzte leichter Diagnosen austauschen, Doppeluntersuchungen vermeiden und Behandlungskosten sparen. Dies kann zu einer vereinfachten und präziseren Diagnose führen. Hilfsmittel oder Folgeversorgungen können rechtzeitig geplant beziehungsweise bestellt oder gefertigt werden. Zahlreiche Beispiele lassen sich für eine unmittelbare Optimierung der Versorgungsprozesse aufzeigen, die sich aus einer funktionierenden Vernetzung der Leistungserbringer, der Kostenträger und der Leistungsempfänger ergeben. Ziel ist es, die Gesundheitsversorgung durch die Digitalisierung effizienter und effektiver zu gestalten.
Wen siehst du in der Verantwortung, wenn es darum geht, die Akzeptanz für die Vernetzung und Auswertung von Daten im Gesundheitswesen zu steigern?
Andreas Fischer: Die Entwicklung einer nationalen Strategie für die digitale Transformation des deutschen Gesundheitswesens ein weiterer richtiger Schritt ist. Die Politik kann und muss die Interoperabilität der zusammenwirkenden Systeme im Gesundheitswesen herstellen und gewährleisten. Zunächst wird es noch einmal eine erkennbare Änderung im Hinblick auf das Datenschutzkonzept der ePA geben. Die gematik ist dazu in der Abstimmung mit Politik und allen anderen Stakeholdern. Wenn die Grundlagen stimmen, wird das Ökosystem wachsen und uns – als Gesellschaft - langfristig enorme Effizienzsteigerungspotenziale liefern…
Und letztlich sind dann alle Akteure im Gesundheitswesen gefordert, Aufklärung zu betreiben und Vertrauen und Begeisterung zu schaffen. Nur wenn alle an einem Strang ziehen wird es funktionieren.